_ Göstling

Ende März 1945 erfolgte durch den Reichsführer SS Heinrich Himmler der Befehl, sämtliche ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen von Groß-Wien, Niederdonau und Steiermark Richtung Mauthausen zu evakuieren.
Ende März 1945 erfolgte durch den Reichsführer SS Heinrich Himmler der Befehl, sämtliche ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen von Groß-Wien, Niederdonau und Steiermark Richtung Mauthausen zu evakuieren. Spätestens Mitte April war absehbar, dass das Kriegsende nur noch eine Frage von Tagen war und dass die Transportwege nach Oberösterreich nicht mehr garantiert waren. Als Folge wurden in den letzten Kriegswochen Hunderte ZwangsarbeiterInnen und KZ-InsassInnen ermordet.

Massaker an ZwangsarbeiterInnen
In Göstling an der Ybbs war seit dem Sommer 1944 eine große Gruppe ungarischer Juden und Jüdinnen in einem davor von Kriegsgefangenen bewohnten Barackenlager nahe am Ortszentrum untergebracht, von wo aus sie im Straßenbau und beim Ausbau eines Kinderheims schwere Arbeit verrichten mussten. Unter den ZwangsarbeiterInnen waren auch mehrere Familien mit Kindern, darunter die Familie K. aus Debrecen. Die 70-jährige Malvine K. war bereits im November 1944 durch die SS in die Anstalt Mauer-Öhling verbracht worden, wo sie eine Woche später umgebracht wurde. Da wir die ärztlichen Unterlagen aus der "Heil- und Pflegeanstalt" Mauer-Öhling hier präsentieren, haben wir in diesem Fall den Familiennamen des Opfers anonymisiert.
Obwohl die Lagerleiterin Margarete Görisch am 10. April 1945 angewiesen wurde, die LagerbewohnerInnen für den 13. April 1945 zum Abtransport mit der Bahn Richtung Amstetten vorzubereiten, rückte in der Nacht eine Einheit der Waffen-SS in Göstling ein. Gegen drei Uhr morgens setzte sie die Häftlingsbaracken in Brand und schoss zusätzlich mit Granatwerfern und Maschinenpistolen auf die fliehenden Menschen. 76 Menschen im Alter von 2 bis 83 Jahren wurden ermordet und am Tatort liegen gelassen. Die gleiche SS-Einheit hat auch das Massaker von Randegg zwei Tage später begangen, die Täter wurden nie identifiziert. Vor Gericht stand nur der HJ-Führer Ernst Burian, der den Tätern einen PKW zur Verfügung stellte und weitere Hilfsdienste leistete. Für die Beteiligung an den Massakern im Bezirk Scheibbs wurde Burian 1948 zu lebenslanger Haft verurteilt, aber bereits nach 5 Jahren wieder entlassen.

Grabpflege durch die Gemeinde
Die Überreste der Opfer des Massakers von Göstling wurden unter Mithilfe der Lagerleiterin und der einzigen Überlebenden des Lagers, der Ärztin Charlotte Szamek an Ort und Stelle provisorisch begraben. Ursprünglich war geplant, die Opfer aus dem Bezirk Scheibbs in ihre ungarische Heimat zu überführen, was etwa in Randegg 1947  durchgeführt wurde. In Göstling erklärte sich aber die Gemeinde bereit, sich um die Grabpflege zu sorgen, ein im Vergleich zu anderen Verbrechensorten ungewöhnlicher Schritt. Im Dezember 1950 wurden die Leichen am Tatort exhumiert und auf den Ortsfriedhof umgebettet, seit 1952 nennt ein Obelisk die Namen der beim Arbeitseinsatz und beim Massaker ermordeten Menschen. Zusätzlich wurde im Jahr 2007 ein Gedenkstein am Tatort errichtet. 2015, 70 Jahre nach der Tat, fand am Friedhof eine Gedenkfeier statt, bei der auch an die Kontakte der ZwangsarbeiterInnen mit der Göstlinger Bevölkerung erinnert wurde: Im Tausch gegen Lebensmittel hatten die ungarischen Jüdinnen Bettwäsche und Pyjamas für Göstlinger Familien angefertigt.
 
weiterlesen